Wer hilft, dem wird geholfen
Mittwoch,

In Uster hilft man sich gerne gegenseitig aus
Die Genossenschaft Zeitgut Uster koordiniert Nachbarschaftshilfe. Zwei, die als Freiwillige mitmachen, erzählen, was sie dazu bewegt. Sandra Dietschi und Vera Grunder haben auf einem Tandem Platz genommen. Das aussergewöhnliche Velo steht sinnbildlich für die Genossenschaft Zeitgut Uster, bei dem das Duo als Geschäftsführerinnen und Koordinatorinnen tätig sind.
Denn es geht um Nehmen und Geben, und das vor allem im Team – als Tandem sozusagen. Die Idee der Genossenschaft Zeitgut: Freiwillige leisten sich gegenseitig Nachbarschaftshilfe. Wer hilft, also Geberin oder Geber ist, erhält die geleisteten Stunden auf seinem persönlichen Zeitkonto gutgeschrieben. Wer umgekehrt den Dienst in Anspruch nimmt, also Nehmerin oder Nehmer ist, dem werden Stunden auf dem Konto belastet. 2024 zählte die Genossenschaft 396 Mitglieder, insgesamt wurden 6882 Stunden Freiwilligenarbeit geleistet.
Es sei aber auch möglich, dass man nur Nehmerin oder Nehmer sei und dafür nicht automatisch selber Stunden leisten müsse, betont Sandra Dietschi, die selber einst als Freiwillige wöchentlich ein paar Stunden im Café des Familienzentrums Uster tätig war. Hier hat die Genossenschaft Zeitgut auch ihr Büro. Wer Mitglied werden will bei der Genossenschaft Zeitgut, kauft einen Anteilschein von 100 Franken. «Bevor man Mitglied wird, gibt es bei uns ein Gespräch, bei dem man sich kennenlernt und die Aufgabenbereiche und Interessen definiert. Bevor sich dann ein Tandem bildet, treffen sich mögliche Nehmende und Gebende. Kommt es schliesslich zur Bildung eines Tandems, wird Besprochenes in einer Tandemvereinbarung festgehalten », erzählt Vera Grunder.

IMMER EINEN SOZIALEN ASPEKT
Es seien nur gelegentliche Einsätze möglich, aber oft bildeten sich Tandems, die dann langjährig gemeinsam unterwegs sind. Dasein, Gespräche führen, Unterstützung beim Computer, gemeinsame Gartenarbeit, administrative Hilfe, Fahrdienst und Begleitung zu Terminen, gemeinsame Ausflüge, spielen und jassen – das sind nur ein paar Beispiele für mögliche Aktivitäten im Duo. «Die Dienstleistungen sollen immer einen sozialen Aspekt haben. Einfach bei jemandem zu putzen, das geht nicht. Auch werden keine pflegerischen Tätigkeiten angeboten, dafür sind unsere Mitglieder nicht zuständig», betonen die beiden Geschäftsführerinnen. «Bei uns sind auch Organisationen als Kollektivmitglieder dabei», erklärt Sandra Dietschi. So bei-spielsweise die Asyl- und Flüchtlingskoordination Uster. «Deshalb haben sich derzeit einige Tandems gebildet, bei dem beispielsweise ehemalige Lehrerinnen und Lehrer den Geflüchteten Nachhilfe in Deutsch oder Mathematik bieten», so Dietschi weiter.
Ein- bis zweimal pro Jahr findet ein Treffen statt zwischen den Geschäftsführerinnen vom Zeitgut Uster und den Gebenden und Nehmenden. «Es geht primär darum, sich unter den Mitgliedern auszutauschen und über die Erfahrungen in der Freiwilligenarbeit zu sprechen. Ein Thema, das immer wieder zur Sprache kommt, ist die Abgrenzung und der Umgang mit Nähe und Distanz», sagt Vera Grunder.
Und jeden ersten Samstag im Monat treffen sich alle Genossenschafter, die Lust haben, von 14 bis 16 Uhr zu Kaffee und Kuchen im Familienzentrum Uster. Seit 2017 leistet Elisabeth Krebser (80) Freiwilligenarbeit für die Genossenschaft Zeitgut Uster.
Zunächst habe sie mit ihren zwei Hunden an Demenz Erkrankte im Pflegeheim Kreuz besucht – das sehr zur Freude der Besuchten, auf deren Knien die kleinen Hunde sich gerne hingesetzt hätten. Auch ihr Mann Fredy ist Geber. So besucht er noch wöchentlich einen älteren Herrn, mit dem er auch einkaufen geht und dabei die Einkäufe nach Hause trägt. «Wir fühlen uns noch jung und haben Kraft – wir können gut noch etwas für die Allgemeinheit leisten», erklärt Elisabeth Krebser, warum sie und ihr Mann bei Zeitgut mitwirken. «Wir haben bisher auch einmal Hilfe in Anspruch genommen, als es darum ging, ein neues Handy einzurichten», verrät Krebser.
ZUERST NEHMENDER, NUN GEBENDER
Genau solche Hilfe bot Jef Kop (81) an – er hat früher Seniorinnen und Senioren in die moderne Technik eingeführt. Aktuell besucht er regelmässig einen Mann, der wegen einer Krankheit im Rollstuhl sitzt. «Wir gehen oft in den Stadtpark und trinken auch mal ein Bier zusammen. Wir haben einfach ein gute Zeit miteinander », betont Kop. Kop hat anfangs bei Zeitgut als Nehmender Hilfe in Anspruch genommen. Seine an Demenz erkrankte Frau, die inzwischen verstorben ist, habe regelmässig wöchentlich einen Malkurs für Demente im Museum Rietberg in Zürich besucht. Sie hinzufahren und wieder abzuholen, sei anstrengend geworden. «Zeitgut hat mir einen Fahrer vermittelt, der meine Frau jeweils zum Malkurs gefahren hat – ich habe sie dann abgeholt. Das war eine grosse Entlastung für mich», erzählt Jef Kop. Als Geber sei er hier gerne aktiv – denn nach dem Tod seiner Frau habe ihm der Umgang mit anderen Menschen gegen die Einsamkeit geholfen.
LUC MÜLLER
Wer bei der Genossenschaft Zeitgut Uster mitmachen will, kann sich unter www.zeitgut-uster.ch melden.
Wer die Genossenschaft finanziell unterstützen will:
Bank BSU Genossenschaft, 8610 Uster,
IBAN CH02 0688 8615 1396 4190 1.