Flüchtlinge und Senioren sollen Wohngemeinschaften bilden
Montag,
Geflüchtete erhalten ein Heim und helfen dafür im Alltag – das ist die Idee eines Luzerner Pilotprojekts. Dabei wollen die Verantwortlichen behutsam vorgehen.
Von Stefan Dähler
Der Wohnraum ist knapp, gleichzeitig kommen viele Menschen wegen des Ukraine-Kriegs und weiterer Krisen in die Schweiz. Die Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge ist entsprechend anspruchsvoll. So hat beispielsweise der Bund entschieden, die Notunterkunft in der Kaserne Emmen länger zu betreiben als geplant. Auf der anderen Seite gibt es ältere Menschen, die seit dem Auszug der Kinder in halb leeren Wohnungen leben, gerne Hilfe im Alltag oder mehr soziale Kontakte hätten und sich einen Umzug nicht leisten können, weil die Mieten in der Umgebung stark gestiegen sind.
Hier setzen die Genossenschaft Zeitgut Luzern sowie der Luzerner Verein Hello Welcome mit ihrem Pilotprojekt «WohnTandem» an, wie sie mitteilen. Vorgesehen ist, dass Einheimische Geflüchtete aufnehmen. Im Gegenzug helfen Letztere den Bewohnerinnen und Bewohnern bei der Bewältigung des Alltags.
«Win-win-win-Situation» ist das Ziel
Mit dem neuen Projekt entstehe eine «Win-win-win-Situation», heisst es in der Mitteilung. Es profitierten Geflüchtete, die in schlechten Unterkünften leben, mehr Kontakt mit der Bevölkerung wünschen und bereit seien, dafür «einen Zusatzeffort zu leisten». Weiter leiste das Projekt einen Beitrag gegen die Einsamkeit, die Wohnungsknappheit, senke die Lebenshaltungskosten und entlaste die öffentliche Hand.
Damit das funktioniert, müssten die «Tandems» begleitet werden. Als Vorbild gilt der Kanton Nidwalden. Dieser habe zur Unterstützung der Gastfamilien, die Flüchtlinge aufnehmen, zwei Betreuer eingestellt. In dieser Art wollen auch Zeitgut und Hello Welcome vorgehen. Bevor jemand zusammenzieht, ist ein längerer Prozess vorgesehen:
- Einheimische melden sich bei Zeitgut, Geflüchtete bei Hello Welcome. Motivation, Interessen und Vorstellungen werden abgeklärt und passende Tandem-Partner gesucht.
- Es folgen ein erstes Gespräch, begleitet von einer Fachperson, danach der Abschluss einer Tandemvereinbarung sowie wöchentliche Treffen während zweier Monate. Erst dann wird entschieden, ob es zu einem Zusammenzug kommt und die Untermiete vertraglich geregelt wird.
- Nach dem Einzug folgt eine einmonatige Probezeit. Bleibt das «Wohn-Tandem» bestehen, stehen danach bei Bedarf weitere Fachpersonen zur Verfügung.
Mit dieser Begleitung soll verhindert werden, dass Abhängigkeitsverhältnisse entstehen und jemand ausgenutzt wird, sagt Zeitgut-Geschäftsleiter Laslo Niffeler. Er rechnet mit einer gewissen Vorlaufzeit, bis erste Tandems gebildet werden können. «Wir hoffen, dass dies im Mai/Juni der Fall ist.»
Seit Mitte März würden Wohngenossenschaften, Immobilienfirmen, Sozialstellen von Kirchen, Stadt und Kanton sowie die Zivilgesellschaft über das Projekt informiert und mit Flyern versorgt. Unter den Geflüchteten gebe es bereits erste Interessenten, Hello Welcome habe früher auch schon vereinzelt Wohngemeinschaften zwischen Geflüchteten und Seniorinnen vermittelt. «Bei Seniorinnen und Senioren dürfte noch Skepsis da sein. Wir wollen jetzt Menschen, die interessiert sind, genauer informieren», sagt Niffeler.
Mehrere Anforderungen müssen erfüllt sein
Welche Anforderungen gelten für ein Tandem? «Die Teilnehmenden müssen psychisch und physisch in der Lage sein, das Zusammenleben zu organisieren», sagt Niffeler. Stark traumatisierte oder pflegebedürftige Personen können daher nicht teilnehmen. Weiter seien Deutschkenntnisse gefordert. Zudem mache der Kanton Auflagen bezüglich Wohnraum, nötig sei insbesondere ein eigenes Zimmer für jede Person, um die Privatsphäre zu gewährleisten.
Das Pilotprojekt ist vorerst bis Ende Jahr befristet. «Das Ziel ist, bis dann fünf funktionierende Tandems zu bilden», sagt Niffeler. Danach werden Zeitgut und Hello Welcome eine Auswertung vornehmen und entscheiden, ob das Projekt weitergeführt wird. Für die Betreuung ist ein Arbeitsumfang von 10 Stellenprozent vorgesehen. Finanziert wird das durch die Katholische Kirchgemeinde Luzern, deren Parlament insgesamt 500’000 Franken für verschiedene Projekte zur Linderung von sozialen Nöten gesprochen hat.